Ein bisschen Zen

Meine Tochter beklagte sich kürzlich bei mir, dass sie es mühsam findet immer ihre Haare bearbeiten zu müssen. „Ich will auch glatte Haare, die nach unten wachsen und die man nicht immer kämmen muss.“ sagte sie. Ich kann ihren Frust verstehen und weiss noch, wie ich mich damals gefühlt habe als Kind, als ich das Gefühl hatte, meine Haare wären ein Problem dass man dauernd lösen müsste. In einer Welt, in der alles immer so schnell gehen muss und man kaum noch Zeit hat, sich mit sich selber auseinanderzusetzen, sehe ich es mittlerweile als Geschenk aufwendige Haare zu haben. Sie bringen einem ins Hier und Jetzt. Eine Frau mit Afrohaaren hat mir kürzlich gesagt, sie wäre einmal für eine Braids-Frisur drei Stunden Zug gefahren, weil sie eine gute Adresse bekommen hätte von einer Freundin. Plötzlich sass sie 7 Stunden lang in einem fremden Wohnzimmer und war umgeben von einer ihr zuvor noch unbekannten Familie, die an ihren Haaren werkelten. Als der Tag vorbei war, hätte sie eine neue Lebensgeschichte kennengelernt, und einen Tag Geschenkt bekommen um einfach zu lauschen, zu reden und zu beobachten. Ihre Mutter hätte ihr schon immer gesagt, dass der Tag des Haare Flechtens ein Meditationstag sei. Genau so sehe ich es mittlerweile auch, wenn ich mir eine Stunde Zeit für die Haare meiner Tochter nehme oder mir selber wieder mal eine Hennapackung gönne. Ich meditiere. Meine Gedanken werden sortiert. Ich wünsche mir, dass meine Einstellung auf meine Tochter abfärbt und sie eines Tages die Vorteile auch sieht, welche ihre schöne Pracht mit sich bringt. Trotzdem gestehe ich ehrlichweise, meldet sich die emotionale Seite immer mal wieder und lässt mich ein paar genervte Wörter hinausschreien, weil ich eben doch nicht immer „Zen“ bin. Und das ist auch ok so. Heilung und Akzeptanz ist ja bekanntlich nicht linear. Auch wenn man grundsätzlich Dinge, die man früher als mühsam betrachtete immer gelassener sehen kann oder ihnen sogar Positives abgewinnt, gibt es immer mal wieder tief geprägte Glaubenssätze die sich lauthals melden. Dann tut man am besten das, was man mit unerwarteten Gästen tut. Kaffee trinken und warten, bis sie von selbst wieder verschwinden.

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