Kulturelle Aneignung

Geboren als Afro-Schweizerin war ich schon immer auf der Suche nach meiner Identität. Ein intensiver Drang, meinen afrikanischen Wurzeln näher zu kommen, entwickelte ich im Teenager-Alter und fand auch rasch Zugang zu Gleichgesinnten. Allerdings nicht wie erhofft durch mir ähnliche Menschen, sondern hauptsächlich durch weisse Bewunderer besagter Kultur. Zuerst näherte ich mich sanft der Rastafari-Bewegung, um herauszufinden, ob ich dort Heimat finden würde. Aber ehrlich gesagt, belog ich mich selbst, indem ich Ehrfurcht und Bewunderung Menschen zollte, die im Grunde weder den Schmerz nachempfinden, noch die Intention, Ungerechtigkeiten aufgrund der Hautfarbe zu bekämpfen, haben konnten. Mit fortschreitendem Alter zog ich mich von der Bewegung zurück. Was mich aber am meistens störte war nicht die Tatsache, dass weisse Menschen sich mit schwarzer Lebensart identifizierten und solidarisierten. Im Gegenteil : Bei gewissen Personen empfand ich es als sympathisch, wenn sie sich voller Herzblut, trotz ihrer privilegierten Position in der Gesellschaft lieber den Minderheiten anschlossen. Nein vielmehr ertrug ich nicht die unterschwellige Arroganz, die bei einigen Personen mitschwang , und in mir den Verdacht erweckte, im Grunde sich doch irgendwie als etwas Besseres zu fühlen. Später machte ich meine Erfahrungen im afrikanischen Tanz. Hier fühlte ich mich meinem Ziel, meinen Wurzeln zu begegnen schon näher. Auch wenn die Mehrheit der Szene auch von weissen Menschen dominiert wurde, erlebte ich viel Liebe und Verbundenheit und es erbrachte einigen Afro-Schweizer*innen Anerkennung und eine Plattform ihr kulturelles Erbe zu würdigen. Mir fiel auf, dass es viele westliche Bewohner gibt, die sich tief Verbunden fühlen mit einer ihr fremden Kultur und oft darunter leiden, weder in der einen noch in der anderen Welt richtig akzeptiert zu werden. Ihr Wissen und Interesse ist meist gross und bewundernswert. Wie jeder Mensch, suchen auch Menschen die sich eine gewisse Kultur „aneignen“ oft nach sich selbst. Zu was und wem man sich hingezogen fühlt und welchen Lebensweg man einschlagen möchte, sowie welchen inneren Ruf man spürt, kann man beim besten Willen häufig nicht aussuchen. Ja es gibt sie, die Arroganten, die im Grunde nichts ahnenden „Weissen“, die sich der schwarzen Kultur bedienen und sich mit fremden Federn schmücken. Aber es gibt auch die anderen. Diejenigen, die eine tiefe innere Verbindung haben zu einer anderen Kultur. Deren Herz zutiefst berührt wird mit jedem Klang der Trommel und deren Augen glänzen, wenn sie die Farben, die Düfte, die Musik und Vibrationen spüren, die beeindruckende Traditionen mitbringen. Dann gibt es leider auch von der Schwarzen Seite noch viel zu viele, die nicht zu ihrer eigenen Kultur stehen und diese unterstützen und stärken. Es gibt sie alle. Aber nicht zuletzt sind es schon wieder die „Weissen“, die über die Gefühle der „Schwarzen“ bestimmen ( ich kenne viele Schwarze, die sich noch nie über das Beschlagnahmen ihrer Kultur beschwerten, sondern im Gegenteil, sich manchmal sogar darüber freuen, sofern es mit guter Absicht ist). Es sollte jedem Menschen frei stehen, die Musik seines Herzens zu spielen, solange niemandes Würde dadurch verletzt wird. Mich macht es froh, dass Afromusik mittlerweile so eine grosse Anerkennung und Reichweite hat, dass sogar Menschen, die keinen Bezug haben, die Beats rauf und runter spielen. Es gibt mittlerweile unzählige Afrobeats Festivals weltweit. Vor einigen Jahren hätte ich nur davon träumen können. Wenn weisse Menschen, die ansonsten wenig gemein haben mit dunkelhäutigen Kulturen, ein original Kleidungsstück tragen ( wobei ich ehrlicherweise erwähnen muss, dass die bunten WAX-Stoffe meistens in Europa produziert werden) welches auf faire Weise direkt bezogen wurde, macht mich das glücklich. Dadurch weiss ich, das Blatt hat sich gewendet und Mode aus den ärmeren Ländern findet endlich den direkten Weg zu uns in den Westen. Sollten wir nicht das Zelebrieren von Kultur schätzen, solange sie im absoluten respektvollem Rahmen geschieht? Gleichwohl ist die Ausbeutung noch viel zu mächtig und der Graben zwischen Weiss und Schwarz zu tief. Brücken werden gebaut, wenn auch mit Schwachstellen. Aber, sie werden gebaut. Ich fühle mich manchmal uralt wenn ich sehe, wie die Zeiten sich geändert haben. Wie es die Afrobeats in meiner Jugend noch nicht in die Stuben meiner Dorfnachbarn schafften und ich mich einsam zum lauschen der rythmischen Klänge in mein Zimmer zurück zog, im Glauben, ich sei vermutlich die Einzige, die sowas hören möchte. Kulturelle Vermischung ist was Schönes, nur die Ausbeutung sollte ein für alle mal aufhören und die Wertschätzung von „uns Kultureigentümern“ selber noch mehr eingefordert werden. Ich drehe jetzt die Musik von Burna Boy so richtig auf! Let’s go

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