Kleines haariges Weihnachtsmärchen

Weihnachten steht vor der Tür. Emily mag diese Zeit nicht besonders. Je näher das Weihnachtsfest rückt, desto angespannter wird die Stimmung in der Familie. Die Frage, wo sich denn alle Familienmitglieder treffen, wer sich was zu Weihnachten schenkt, oder ob man sich überhaupt was schenkt und natürlich die obligaten Streitereien , stiehlt dieser besinnlichen Zeit den gesamten Zauber.

Ein Tag vor dem Weihnachtsfest , welches nun bei Emilys Eltern stattfindet, stellt Emily erschrocken fest, dass sie noch nicht alle Geschenke hat. Und was soll sie anziehen? Ein neues Kleid muss auch her. So eilt sie in die Stadt und zwängt sich durch das Gedränge in den Läden. Sie scheint wohl nicht die Einzige zu sein, die noch auf den letzten Drücker Besorgungen zu erledigen hat. In Eile, lässt es sich nicht sonderlich gut Einkaufen. Halbwegs zufrieden mit ihren Geschenken muss sie jetzt noch ein hübsches Kleid finden. Sie probiert sich durch die immense Auswahl, während ihr Selbstwertgefühl dabei förmlich in den Keller sinkt. Die Beleuchtung in der Umkleidekabine mochte sie noch nie. Jedes Mal entdeckt sie etwas an sich, was ihr nicht gefällt. Diesmal sind es die Haare. Die vielen Spiegel zeigen ihr schonungslos ihre kaputten Spitzen von allen Seiten auf. Trotzdem will Emily auf keinen Fall ihre Haare schneiden. Sie verleihen ihr einen gewissen Schutz. Sie fühlt sich weiblicher und attraktiver mit langen Haaren. Aber so kann sie sich nicht vor der gesamten Familie blicken lassen. Emily beschliesst ihre Haare zu einem simplen Zopf zusammen zu binden.

Der Abend der Feier beginnt verdächtig harmonisch. Onkel Renaud und Tante Stella, die sich meistens schon die ersten Minuten in die Haare kriegen, verhalten sich anständig. Man könnte meinen, sie hätten sich angelächelt. Zu Emilys Erleichterung hält sich auch der Geschenkeberg in überschaubarer Grösse. Schon den gesamten Tag zerbrach sie sich den Kopf darüber, ob sie vielleicht doch zu wenig eingekauft hat.

Emilys Mutter serviert stolz ihren selbstgemachten Hackbraten. Auf dem Tisch stehen wärmende Kerzen, die den Anlass in ein feierliches Licht tauchen. Auf einmal spürt Emily eine beissende Hitze im Nacken. Onkel Renaud, Mutter und Vater schreien gleichzeitig auf. Emilys Haare stehen in Flammen! Eine der Kerzen, war wohl etwas zu nahe an ihren Haaren. Vor lauter Schreck, bleibt Emily wie angewurzelt sitzen. Sie unternimmt nicht einmal den Versuch die Flammen zu löschen. Emilys Vater holt einen Eimer mit Wasser und schüttet ihn seiner Tochter schonungslos über den Kopf. Völlig durchnässt stürmt sie ins Bad und weint sich beinahe die Augen aus. Die halbe Familie steht nun vor der Badezimmertür und erkundigt sich nach ihr. Alle sind aufgebracht. Emily betrachtet sich im Spiegel und sieht, was von ihrer ohnehin schon kaputten, aber dennoch sehr langen Haarpracht übrig bleibt : Ein schulterlanger, ziemlich verbrannter Wuschel. Nachdem Emily sich beruhigt hat und in frische Kleidung ihrer Mutter geschlüpft ist, setzt sie sich wieder an den Familientisch. Mitleidige Blicke schleudern ihr entgegen.

Onkel Renauds Freundin, Bella, ist zufälligerweise Friseurin. Sie bietet Emily an, ihr die Haare zu schneiden. Da bleibt Emily wohl nichts anderes übrig. Wiederwillig überlässt sie Bella und der Küchenschere ihr Schicksal.

Strähnen fallen auf den Boden. Gemischte Gefühle durchfluten Emilys Körper. Als sie am Ende in den Spiegel schaut, erkennt sie sich kaum wieder. Ihre Locken kringeln sich und wenn ihre Haare lächeln könnten, würden sie in diesem Moment bis über beide Ohren strahlen. Emily zwinkert ihrem Spiegelbild neckisch zu. Sie gesteht sich ein, dass sie umwerfend aussieht.

Zurück am Familientisch, wird sie von allen Seiten bewundert. Die Kerzen wurden mittlerweile ausgepustet. Aber Emily ist insgeheim froh, dass die Flammen ihren Spliss erwischten. Sonst hätte sie wohl diese neue Emily nie entdeckt.

In diesem Sinne, fröhliche Weihnachten! Und passt auf euch auf 😉

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