Soll ich oder soll ich nicht?

Manchmal kommen Menschen zu mir, da vergesse ich, dass ich arbeite. Aber was soll ich tun? Manchmal plappere ich so viel und plappert auch mein Gast* sehr gerne und dann plappern wir einfach zusammen und am Ende bemerke ich, dass die Zeit um ist und mein Gast (oder Gästin) nebenbei noch eine verdammt tolle Frisur auf dem Kopf hat. Dann bin ich mir oft nicht sicher, wer ihr/ihm jetzt während dieser Stunde die Haare geschnitten hat. Heute hat meine Gästin mir erzählt, dass sie nun endlich die Fahrprüfung absolviert hatte. Da bemerkten wir beide, dass uns eine ewige Angst vor dem Autofahren verbindet. Genau wie ich, dachte auch sie immer, dass sie nie im Stande sein würde ein Auto zu fahren. Voll bepackt mit einer riesigen Portion Mut hat sie sich dennoch in dieses Abendteuer gestürzt und festgestellt, dass es das coolste war, was sie je getan hat. Während sie mir so begeistert davon erzählte und meine Schere seelenruhig eine Locke nach der anderen kürzte, hörte ich eine eindringliche Stimme in meinem Kopf die mir zuflüsterte : “ Du Looserin, reiss dich zusammen und stürze dich auch endlich in dieses Vergnügen.“ Doch die traumatisierten Anteile in mir schüttelten nur den Kopf und verdrehten die Augen, als wollten sie mir sagen : „Lass die Finger davon!“ Auf welche Stimme in meinem Kopf soll ich nun hören? Auf die Traumatisierte oder die Mutige? Meine Mutter und meine Oma sind nie Auto gefahren. Die letzte Erinnerung die ich an eine Autofahrt mit meiner Mutter hatte war, als ich vier Jahre alt war und wir einkaufen gegangen sind. Plötzlich knallte es mitten auf der Strasse und unser Auto hielt abrupt an. Seit diesem Moment hat sich meine Mutter nie wieder ans Steuer gewagt und dermassen über dieses Gefährt geflucht, dass ich annahm es wäre vom Teufel. Ausserdem fürchte ich mich vor zu viel Geschwindigkeit und ich habe als Kind nicht einmal die Fahrradprüfung bestanden. Wie soll ich da bitteschön Auto fahren? Ich brachte es sogar zustande verloren zu gehen, obwohl das im Nachhinein unmöglich hätte geschehen sollen, da wir Kinder alle hintereinander hergefahren sind. Trotzdem fand ich mich irgendwo im nirgendwo wieder und den Weg zurück zur Klasse erst nach einer gefühlten Ewigkeit. Schon allein wegen diesen Fakten habe ich das Gefühl,es ist nicht mein Seelenplan eine Autofahrerin zu werden ( und da gäbe es noch einige Fakten mehr). Doch die Innendekorateurin in mir stupst mich ab und zu liebevoll an um mir mitzuteilen, dass solch ein Können durchaus seine Vorzüge hätte. Zum Beispiel um im Alleingang und ohne auf jemanden angewiesen zu sein, heimlich zu Ikea zu fahren, oder beim „Maison du Monde“ ein paar Dekorationen abzuholen. Die Begeisterung meiner Kundin von heute Morgen über ihr neu erworbenes Können hat mich beeindruckt. Ich lasse mir noch etwas Zeit, um darüber nachzudenken, welche Vorteile ( Ikea Fahrten) und Nachteile ( verloren gehen, falschfahren auf der Autobahn, andere Menschen mit meinem Fahrstil gefährden uvm. ) eine Autoprüfung für mich hätten. Bis dahin plappere ich weiter und lasse auf mysteriöse Weise nebenbei die Haare meiner Kund/innen schneiden. Have a nice Weekend und fahr vorsichtig!

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